75 Jahre – das ist eigentlich kein sehr hohes Alter. Wenn ich Ihnen sage, dass ich stark auf die 80 zugehe und oft der jüngste in unserer Doppel-Freizeitrunde bin, dann wissen sie, was ich meine. Jung, frisch und immer moderner ist auch unser BTTC. Aber 75 Jahre – das ist eine stolze Zahl für einen Club mit so einer bewegten und bewegenden Geschichte und deshalb eine besondere Würdigung wert.
1947 fing alles an. Berlin war eine Trümmerwüste. Es gab Stromeinschränkungen und Kohlemangel. Es war ein bitterkalter Winter, in dem die Temperatur in geschlossenen Räumen häufig unter den Gefrierpunkt sank. Angesichts vieler Menschen, die an Hunger und Frost starben, ging es für die meisten nur ums Überleben. An Sport dachten die wenigsten.
Einige doch. Zum Beispiel Heinz Raack, der schon 1941 deutscher Tischtennismeister war. Daran wollte er nach dem Krieg unbedingt wieder anknüpfen. Aber nicht in einem reinen Tischtennisverein, sondern einem Club, in dem man auch Tennis spielen kann.
Heinz Raack gründete mit einigen Sportkameraden am 14. Juli 1947 den Berliner Tennis- und Tischtennisclub Grün-Weiß. Der Verein mit seinen 21 Mitgliedern gehörte zu den ersten zehn in Berlin nach dem Krieg von den Alliierten wieder zugelassenen Sportvereinen.
Eine Sportstätte zu finden war äußerst schwierig. Der Club wanderte in den ersten Jahren von einem Ort zum anderen, ehe er 1949 endlich am Hermesweg beim Steglitzer Stadtpark ein Gelände fand und dort 18 Jahre lang heimisch wurde.
Am Hermesweg hatte der Club eine eigene Tischtennishalle, die legendäre Baracke. In ihr konnte an sechs Platten gespielt werden. An spielfreien Tagen wurde die Halle auch als Clubhaus genutzt, indem die Platten raus- und die Möbel reintransportiert wurden. Ein munteres Treiben. Daran erfreuten sich inzwischen 60 Mitglieder.
Heinz Raack wurde 1947 und 1949 erneut deutscher Meister. Das BTTC-Team gewann 1948 die Berliner Meisterschaft und wurde sieben Jahre später Deutscher Vizemeister. Herausragende Spieler waren der inzwischen fast 40 Jahre alte Heinz Raack, der blutjunge 17 Jahre alte Lutz Sedatis, Max Scherek, dem zu Ehren heute noch ein clubinternes Turnier stattfindet und Lothar Franke, der wie kein zweiter unsere Clubgeschichte verkörpert. Erst als großartiger Tischtennisspieler, der sogar 1962 an einer Europameisterschaft teilnahm. Dann war er bis ins hohe Alter ein erfolgreicher und begeisterter Tennisspieler. Vor allem aber ist Lothar Franke ein Mann, der jahrzehntelang Vereinsarbeit geleistet hat und zusammen mit seiner Frau Barbara und Sohn Markus dem Club wunderbare, einzigartige, großzügige Geschenke gemacht hat, von denen der BTTC noch Jahrzehnte profitieren wird. Auch wenn er es in seiner Bescheidenheit nicht so gerne hört: Dr. Lothar Franke ist eine Club-Legende. Seit 70 Jahren lebt er für den BTTC. Wie schön, dass er sich 1952, als er von Leipzig zum Studium nach Berlin kam, dem BTTC angeschlossen hat, weil der Hermesweg nicht so weit vom FU-Gelände entfernt war.
Auch bei den Damen hatte der BTTC in den 50er Jahren im Tischtennis eine deutsche Spitzenspielerin: Uschi Fiedler (später Matthias). Sie war zweimal deutsche Einzelmeisterin und auch zweimal im Doppel Deutschlands Beste. Sie nahm an Welt- und Europameisterschaften teil und wurde 1962 mit der deutschen Nationalmannschaft Europameisterin. Auch die Damenmannschaft des BTTC war erfolgreich. Sie gewann 1948 die deutsche Vizemeisterschaft.
Tischtennis blieb zunächst der Sport, bei dem der BTTC Erfolge feierte. Aber am Hermesweg herrschte auch auf vier Tennisplätzen ein reges Treiben, wobei die Tischtennis-Asse die besten Tennisspieler wurden. Bis 1963 hießen die Clubmeister ausschließlich Heinz Raack oder Lutz Sedatis. Als der BTTC sich immer besser entwickelte und inzwischen mehr als 300 Mitglieder hatte, gab es 1967 einen Schock, der für den Club fast ein Ruin gewesen wäre. Die Besitzerin verkaufte das vom Verein gepachtete Gelände am Hermesweg. Der BTTC verlor seine Heimstätte. Die Situation schien aussichtslos zu sein.
Da gelang es Harry Bengsch, Heinz Raack und Richard Nitsch vom Bezirksamt einen Teil des heutigen Geländes an der Scheelestraße, das man damals die Glauberhof Wüste nannte, zur Pacht übertragen zu bekommen.
Die Bedingung war, dass der Club eine Anlage auf eigene Vereinskosten aufbauen musste. Eine Herkulesaufgabe, denn der Glauberhof war ein verwahrlostes ehemaliges Industriegelände, das auch mit Hilfe der Amerikaner erst einmal planiert werden musste.
Irgendwie haben es die verbliebenen 145 Mitglieder, die den Umzug mitmachen wollten, mit finanziellen und körperlichen Anstrengungen geschafft, einige Tennisplätze mit Sandbelag zu bauen. Aus einem Schuppen wurde ein Clubhaus.
In diesem Jahr 1968 präsentierte der BTTC die erste feste Tennishalle in Berlin. Senat, Tennisverband und private Darlehensgeber hatten geholfen. Nicht zu vergessen, auch Grün-Weiß Lankwitz beteiligte sich mit 25.000 DM. Die Einweihung der Halle war ein Medienereignis, das in Berlin viel Beachtung fand. Ich durfte als junger SFB-Reporter davon für die Berliner Abendschau berichten. Die Einnahmen aus den Hallenstunden der Wintersaison waren und sind für den BTTC ein wichtiges wirtschaftliches Fundament.
Leider war eine Tischtennis Halle nicht finanzierbar, so dass die große Zeit der Tischtennisabteilung zu Ende ging. Bis heute hat es kein echtes Comeback gegeben. Es gibt weder eine Jugend- noch eine Damenabteilung. Die wenigen Herren spielen ohne Trainer in einer Turnhalle in unteren Klassen. Eine echte Aufgabe für die Zukunft, dem zweiten „T“ im BTTC Namen wieder mehr Geltung zu verschaffen.
Die Tennisabteilung florierte. Bis zu 1000 Mitglieder zählte der Club inzwischen. Das Gelände wurde größer und schöner. Die Pflege der zehn Sandplätze war allerdings auf die Dauer zu teuer. 1973 wurden deshalb pflegeleichte Kunststoffplätze gebaut. Das wurde in der Berliner Tennisszene naserümpfend kommentiert. Wohin man auch kam und sagte, man sei vom BTTC, wurde erwidert: „Ach dieser Club mit dem furchtbaren Boden.“ Häufig war dies allerdings eine Ausrede der Gäste Teams. Viele von uns haben auf dem harten Belag 42 Jahre lang im Sommer und im Winter gespielt und keineswegs musste man ständig Orthopäden wegen dieser Plätze aufsuchen.
Die Hallen wurden immer begehrter. Mit den Halleneinnahmen, Senatsdarlehen und Mitgliederbeiträgen wurde eine zweite und dritte Halle gebaut. Der BTTC wurde zu einem echten Großverein. Dazu entstand 1992 das neue Clubhaus im Landhausstil und eine neue Traglufthalle. Die ganze Anlage war jetzt ein Schmuckkästchen.
Ausgerechnet nach der Wiedervereinigung gab es große Probleme, denn das neu hinzugekommene Umland sorgte auch bei vielen Tennisspielern für eine Golfeuphorie. Mehr als 200 Mitglieder gingen dem Club verloren. Aber dieses Tief ist längst überwunden. Heute spielen wieder 850 junge und alte Cracks im BTTC Tennis. Wir haben sogar wieder acht Sandplätze, weil der DTB diesen Belag ab der Regionalliga vorschreibt. Um die leistungssportliche Entwicklung nicht zu blockieren, hat der Club mit seinen Mitgliedern noch einmal tief in die Tasche gegriffen.
Im Tennis hat der BTTC nicht so viele Erfolge aufzuweisen wie einst im Tischtennis, aber wir sind ein breit aufgestellter Club mit einer der attraktivsten Anlagen in Berlin. Heute sind 43 Mannschaften von der U8 bis zur Ü75 bei den Verbandsspielen aktiv. Nicht zuletzt dank einer gut funktionierenden Tennisakademie mit unserem Cheftrainer Diego Vasquez gibt es eine zielstrebige und erfolgreiche Jugendarbeit. Und dies nicht nur in der Spitze. In der letzten Woche der Sommerferien 2022 tummelten sich mehr als 100 Jugendliche im Tenniscamp. Auch reine Freizeitsportler wie ich fühlen sich hier wohl und genießen die entspannte Atmosphäre. Bei den BTTC-Open können auch Nicht-Mannschaftspieler Matchpraxis schnuppern. Die German-Open der Rollstuhlfahrer sind längst fester Bestandteil des Veranstaltungs-Kalenders.
Die Vereinsstrukturen wurden modernisiert. Martin Melchior fungiert seit sechs Jahren als kreativer, hauptamtlicher Leiter der Geschäftsstelle, der den engagierten Vorstand entlastet.
Die neuen Glanzstücke des BTTC sind durch das großzügige Vermächtnis der Familie Franke entstanden: Die Doppeltraglufthalle und die topsanierten festen Hallen.
Ich bin auf jeden Fall froh und glücklich, schon fast 50 Jahre Mitglied im BTTC zu sein. Ein echter Wohlfühlclub.
Danke BTTC!
Jochen Sprentzel
Am 10. September 2022